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Wie viel Trinkgeld sollte man im Urlaub geben? Das Wort "Tip" wird mancherorts als Beleidigung angesehen - WELT


Die Airline hat dem Fluggast 30 Kilo Freigepäck gegönnt, jetzt rackert sich der Page im Hotel mit dessen Koffer ab und platziert ihn sichtlich angestrengt auf dem dafür gedachten Gestell im Zimmer. An den meisten Orten der Welt wäre es peinlich, jetzt kein Trinkgeld zu geben. Vor einer Reise sollte man sich deshalb mit Kleingeld in Landeswährung oder US-Dollar-Noten versorgen, um nicht gleich bei der Ankunft in Sachen Tip zu versagen.

Allerdings ist die Sache mit dem Trinkgeld kompliziert: Mal wird man vom Personal im Lokal, Hotel oder auf dem Kreuzfahrtschiff böse angeguckt, wenn das Trinkgeld zu gering ausfällt. Mal wird man böse angesehen, wenn man überhaupt das Portemonnaie zückt. Hier steht man als Geizhals da, dort als unhöflicher Grobian mit null Gefühl für die Gepflogenheiten des Landes.

Und noch etwas ist in Hinblick auf Tip zu beachten: Laut Trinkgeldforscher Michael Lynn von der Nolan School of Hotel Administration an der Cornell University in Ithaca im US-Bundesstaat New York spielen nicht nur starre ökonomische Konventionen eine Rolle beim „Tipping“. Wie ein Kellner sich verhält, das kann auch unbewusst auf den Kunden wirken. Geht das Servicepersonal am Tisch zum Beispiel in die Hocke, um Blickkontakt auf Augenhöhe mit den Gästen zu suchen oder spricht es die Gäste beim Namen an, kann sich deren Bereitschaft, (mehr) Trinkgeld zu geben, deutlich verstärken.

Wie verhält man sich also richtig? Basierend auf Lebenserfahrung sowie auf Trinkgeldtipps des Reiseportals Check24, des Reiseführers Marco Polo sowie des Reiseblogs Travelbloke haben wir einen vierteiligen Trinkgeld-Leitfaden entwickelt.

1. Wie viel Trinkgeld üblich ist

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Trinkgeld soll eine Dreingabe sein. Eine Freiwilligkeit. Fand man das Essen lecker, den Service gut, den Fremdenführer kompetent, dient es als Mittel, genau das zum Ausdruck zu bringen.

Ungeschriebenes Gesetz in Deutschland ist es, zum Beispiel in Restaurants etwa zehn Prozent auf den Rechnungsbetrag draufzulegen. Damit ist man auf der sicheren Seite. Heißt aber auch: Wer den Tip weglässt, drückt durch die Blume seine Unzufriedenheit aus.

Die Zehn-Prozent-Regel ist auch in vielen anderen Ländern ein guter Maßstab. Etwa in Spanien, Portugal, Griechenland, Kroatien, Polen, Ungarn, Rumänien und Tschechien. Auch in Marokko, Tunesien, Ägypten oder den Ländern Lateinamerikas ist sie ein guter Richtwert – wenngleich dort teilweise 15 Prozent nicht unüblich sind.

Gibt man weniger oder gar nichts, wird man wahrscheinlich nur in skandinavischen Ländern nicht schräg angeschaut. In Schweden ist eine Service-Pauschale in Hotel- und Restaurantrechnungen meist bereits enthalten, ebenso in Finnland und der Schweiz.

Ähnliches gilt auch in Frankreich, wenn auf dem Restaurantbeleg „Service compris“ (Service inklusive) zu lesen ist, oder in Italien, wenn „coperto“ (Gedeck) aufgeführt ist. Auch in den Ländern Lateinamerikas wird in Restaurants nicht selten eine Pauschale gleich auf die Rechnung geschrieben. Selbstredend freut sich das Personal dort wie hier, Pauschale hin oder her, wenn Gäste trotzdem noch etwas aufrunden.

Auf dieser Rechnung ist der Service nicht inbegriffen, Trinkgeld also erwünscht

Auf dieser Rechnung ist der Service nicht inbegriffen, Trinkgeld also erwünscht

Quelle: pa/Lars Halbauer

Ist der Service nicht extra ausgewiesen, wird Tip erwartet. In Italien sind 10 bis 15 Prozent üblich, die auch in England oder Irland als angemessen gelten. Am meisten wird in Nordamerika erwartet: Weil die Löhne im Dienstleistungssektor dort oft sehr niedrig sind, haben sich 15 bis 25 Prozent Tip als Selbstverständlichkeit etabliert, die das Personal im Diner ebenso bekommt wie der livrierte Kellner oder der Pizzabote. Nicht selten wird der Tip in den USA auch unmissverständlich eingefordert.

2. Wie man sein Geld loswird

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So viel vorweg: Es kann dabei Probleme geben. Teilt man zum Beispiel dem Ober beim Restaurantbesuch in Paris wohlwollend mit, er solle doch gleich auf einen glatten Betrag aufrunden, wird er sich wahrscheinlich taub stellen und das exakte Wechselgeld aushändigen. In Frankreich, wie auch in Spanien, Griechenland oder der Türkei, ist es nämlich üblich, den Tip einfach auf dem Tisch zurückzulassen. Immer in bar, auch wenn man mit der Karte bezahlt hat.

Anders verhält es sich in Skandinavien, wo Bargeld so langsam ausstirbt. Es gibt Geschäfte und Lokale, die nur noch Karten oder Zahlung per App akzeptieren. In Schweden bekommt man in manchen Restaurants das Kartenlesegerät in die Hand gedrückt, um einen Gesamtbetrag (mit oder ohne Trinkgeld) einzutippen. Sauer wird aber niemand, wenn man nicht aufrundet, da Service-Pauschalen wie erwähnt oft schon eingerechnet sind.

Auch beim Drink am Abend muss der Tip auf Reisen nicht unbedingt eingeplant werden. So ist er bei Barbesuchen in Spanien, Portugal oder Frankreich eher unüblich. In England allerdings kann man sich erkenntlich zeigen, indem man den Barkeeper zu einem Getränk einlädt.

Ob im Hotel oder auf dem Kreuzfahrtschiff – Trinkgeld für das Reinigungspersonal hinterlässt man einfach im Zimmer

Ob im Hotel oder auf dem Kreuzfahrtschiff – Trinkgeld für das Reinigungspersonal hinterlässt man einfach im Zimmer

Quelle: pa/dpa Themendienst/Andrea Warnecke

Will man im Hotel das Küchenteam oder anderes Personal ohne direkten Kundenkontakt extra entlohnen, dient dazu in vielen Ländern eine Trinkgeld-Box an der Rezeption. Kofferträgern steckt man kleine Scheine oder größere Münzen einfach zu, üblich sind vielerorts 1 bis 2 US-Dollar oder 1 bis 2 Euro pro Gang beziehungsweise Gepäckstück.

Auf ähnliche Weise wird auch das Zimmerpersonal vom Gast bedacht – nur, dass der Tip nicht persönlich übergeben, sondern im Zimmer hinterlassen wird. Typische Plätze dafür sind das Kopfkissen auf dem Bett oder die Ablage am Badspiegel. Vor allem bei höheren Beträgen kann der oder die Bedachte daran erkennen, dass die Zuwendung auch so gemeint war und der Gast das Geld nicht schlicht im Zimmer vergessen hat.

International übliche Beträge sind 1 bis 2 Dollar (oder Euro) pro Nacht. Der Roomservice in den USA erwartet indes mehr: eher zwischen 2 und 5 Dollar, je nach Art und Klasse der Unterkunft. In südostasiatischen Ländern wiederum sind, wenn überhaupt, Beträge um umgerechnet 50 Cent üblich.

3. Trinkgeld-Fettnäpfchen vermeiden

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Vorsicht ist vor allem bei Reisen nach Japan geboten, denn hier kann gut gemeinte Großzügigkeit ziemlich peinlich werden. Es dem Gast so recht wie möglich zu machen, gehört in Restaurants und Hotels dort zu den Selbstverständlichkeiten. Das heißt: Trinkgeld wird hier schnell als Beleidigung empfunden.

Ausnahmen: In Ryokans, den traditionellen japanischen Gasthäusern, kann man der Bedienung eine Anerkennung zukommen lassen, und in Hotels westlicher Ketten dem Kofferträger schon mal 200 Yen (1,40 Euro) zustecken. Aber bitte in einem Umschlag: Geld offen zu überreichen, wäre taktlos.

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Auch der Grundsatz „besser als gar nichts“ führt mancherorts zum Fauxpas: Wer in Thailand – zumindest in besseren Häusern – weniger als 10 Baht (knapp 30 Cent) liegen lässt oder zusteckt, gibt zu wenig, landet also im Fettnäpfchen. In Spanien oder Portugal lässt man ebenfalls keine Mini-Beträge zurück. Das wird vom Personal als äußerst geizig und unhöflich empfunden.

4. Unterwegs im Taxi, auf Kreuzfahrt oder Gruppenreise

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Taxifahrer rund um den Globus erwarten oft kein festes Trinkgeld – dass der Fahrgast den fälligen Betrag aufrundet, aber schon, jedenfalls in Skandinavien, Lateinamerika, vielen Ländern Südostasiens und Nordafrikas. In Italien, Portugal und Spanien bleiben die Fahrer locker, wenn der Fahrgast nur passend bezahlt.

In England, Ungarn, Griechenland, Belgien und auch Südafrika orientiert man sich dagegen besser an der Zehn-Prozent-Regel. Nur in den USA und Kanada wird mehr erwartet oder direkt verlangt, falls es einem entfallen sein sollte: 15 Prozent sind üblich.

Wer sich auf Kreuzfahrt begibt, sollte sich ebenfalls mit dem Thema befassen. So kann es in der Reisebeschreibung unter dem Punkt „Leistungen“ schon mal heißen: „In dieser Reise nicht inbegriffen sind Trinkgelder.“ Bedeutet: Dass man sie zusätzlich zum Reisepreis zahlt, wird als selbstverständlich gesehen.

Große Reedereien helfen ihren Gästen auf die Sprünge, indem sie „Trinkgeld-Empfehlungen“ abgeben, die sich auf bis zu 20 US-Dollar pro Passagier und Tag belaufen. Teils werden die Tips sogar über das Bordkonto des Gastes abgebucht – war dieser nicht zufrieden mit dem Bordservice, muss er handeln, indem er den Betrag kürzt.

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Bei Gruppenreisen bietet es sich an, die Anerkennung für den Guide oder die Reiseleiterin gesammelt zu übergeben. Meist wird das zum Schluss einer Reise – bei der Verabschiedung in der Lobby oder am Flughafen – erledigt. Üblich sind Beträge zwischen 3 Dollar pro Tag und Person in einigen Ländern Asiens, bis zu 10 Dollar pro Tag und Person in den USA oder den Safari-Ländern Tansania, Uganda, Kenia und Simbabwe. Die Anerkennung im Kuvert zu überreichen, beweist auch hier gutes Taktgefühl.

Und in Japan kann man dem Guide eine Freude machen mit einem Mitbringsel aus der Heimat, zum Beispiel Marzipan oder Lebkuchen.

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Author: Michael Smith

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